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Keupstraße ohne Mahnmal – seit 16 Jahren

6 Jahre ist der Nagelbombenanschlag der Neonazigruppierung NSU an der Keupstraße in Köln-Mülheim her. Seit 2016 wollen Stadt und gesellschaftliche Initiativen ein Mahnmal gegen rassistischen Naziterror und für eine solidarische, antifaschistische Stadtgemeinschaft an diesem Ort installieren. Doch die Planungen stehen still. GUT setzt sich im Rat für die Realisierung des Mahnmals ein.

In anderen Städten, in denen der selbsternannte “Nationalsozialistische Untergrund“ (NSU) Anschläge begangen hat, wird sichtbar und dauerhaft an die Opfer erinnert. In Köln nicht. Auch im 16. Jahr nach dem Nagelbombenanschlag an der Keupstraße durch den NSU fehlt hier ein Mahnmal. Die Initiative “Herkesin Meydani – Platz für alle” hat sich im Herbst 2019 aus verschiedenen Einzelpersonen und Initiativen gegründet. In einem offenen Brief fordern die Unterzeichner*innen von der Stadt, endlich die Realisierung des Mahnmals zu priorisieren. Wir unterstützen die Initiative voll und ganz: Die Kölner Stadtgesellschaft braucht einen Lern- und Erinnerungsort in Gedenken an die Opfer der rassistischen Anschläge. Und zwar genau an dem Ort, dem der Angriff galt.

Am 9. Juni 2004 zündeten Mitglieder des NSU vor einem Friseursalon an der Keupstraße eine Nagelbombe. 22 Menschen wurden verletzt, vier davon schwer. Die Ermittlungen durch Polizei und Staatsanwaltschaft richteten sich auch gegen die Opfer, deren Familien und Nachbarn der Betroffenen. Die Menschen fühlten sich mit ihren Traumata allein gelassen und empfanden das Vorgehen als tiefe Kränkung.

Mahnmal in Sichtweite der Keupstraße

Nachdem Ende 2011 klar war, dass der Anschlag vom NSU-Nazi-Netzwerk begangen wurde, forderten Bürger*innen erstmals einen Gedenkort. Geplant war ein Mahnmal in unmittelbarer Nähe des Tatorts Keupstraße/Ecke Schanzenstraße zu realisieren, auf dem Gelände des ehemaligen Güterbahnhofs. In den folgenden Jahren war unter reger Beteiligung von Bürger*innen und Initiativen über die Pläne zur Neubebauung des Geländes diskutiert worden. Im Dezember 2015 beschloss der Rat der Stadt Köln ein Wettbewerbsverfahren zur Findung eines geeigneten Denkmalentwurfs.

Zehn Monate später hatten sich alle Beteiligten, darunter auch Bewohner*innen der Keupstraße, Betroffene der Bombenanschläge und Stadtteilinitiativen einvernehmlich für den Entwurf eines interaktiven Gedenkorts des Berliner Künstlers Ulf Aminde entschieden. Der Standort dieses Mahnmals an der Ecke Keupstraße/Schanzenstraße ist integraler Teil des künstlerischen Konzeptes. Denn so kann den Anschlagsopfern am Ort des Geschehens gedacht werden. Bis dahin verlief der Prozess in Köln vorbildlich. Die Stadt selbst hatte den Wettbewerb angestoßen. In keiner anderen Stadt gab es eine so umfassende gesellschaftliche Beteilung für ein Mahnmal zum Gedenken an die NSU-Opfer.

Ratlosigkeit der Stadt

Doch seitdem geriet der Prozess ins Stocken. Die Eigentümer des avisierten Grundstücks widersprachen der Installation des Mahnmals auf ihrem Areal. An dieser Stelle sei eine mehrstöckige Bebauung vorgesehen. Die Stadt sah sich nicht in der Lage, an dieser Stelle Vorschriften zu machen. “Denn dieses Grundstück gehört nicht der Stadt Köln und wir können dem Eigentümer nicht vorgeben, wann und wie er sein Grundstück bebaut und ob das Mahnmal genau dort seinen Platz findet”, erklärte Oberbürgermeisterin Henriette Reker in einer Pressemitteilung zum 15. Jahrestag des Anschlags. Und schließt mit der Aufforderung: “Ich appelliere deshalb noch einmal eindringlich an alle Beteiligten, erneut in den Dialog einzutreten und an einer Lösung für eine zügige Realisierung an einem geeigneten Standort mitzuwirken, einem Standort, auf den wir unmittelbaren Zugriff haben und das weitere Verfahren selbst bestimmen können. ”

Aber die Suche nach einem alternativen Platz erwies sich als schwierig und stand häufig der Grundidee des Mahnmals entgegen, in Sichtweite des Anschlagsorts zu sein. Der Interessenkonflikt mit den Eigentümern und die Ratlosigkeit der Verwaltung diesbezüglich lähmen das Projekt bis heute. Die Zuständigkeit innerhalb der Stadt für das Mahnmal scheint unklar. Die Initiativen finden keinen zuständigen Ansprechpartner. Hier braucht es jemanden, der sich für das Projekt stark macht. Deshalb forderte die Initiative “Herkesin Meydani – Platz für alle” in ihrem offenen Brief am 21. März 2020 die Stadt auf, endlich tätig zu werden und ein politisches Zeichen für das Mahnmal zu setzen. Zusätzlich schickten sie eine Eingabe an den Ausschuss für Anregungen und Beschwerden der Stadt Köln. Bis heute erhielten sie darauf keine Reaktion. Nicht von der Oberbürgermeisterin, nicht von der Stadtverwaltung und auch nicht vom Stadtrat.

Beschluss für das Mahnmal jetzt!

GUT findet, dass die Realisierung des Mahnmals mehr Respekt und eine höhere politische Priorisierung erfahren muss. Denn es wäre ein sichtbares Zeichen gegen Rassismus, Faschismus und für ein friedliches Zusammenleben, für eine solidarische, offene Stadtgesellschaft in Köln. Eine schnelle Interimslösung in Form einer Gedenkplatte oder Plakette wertet die Ursprungsidee ab und sendet den Betroffenen ein fatales Zeichen. Es gab einen guten gemeinsamen Weg, den wir beibehalten sollten. Deshalb planen wir für die kommende Ratssitzung im Juni 2020 einen Antrag zu stellen, der die Forderungen der Initiative “Herkesin Meydanı — Platz für Alle“ aufgreift.

  • Die Stadt soll einen Ansprechpartner benennen, der für den weiteren Realisierungsprozess des Mahnmals zuständig ist.
  • Die Verwaltung soll die Aufstellung eines rechtsverbindlichen Bebauungsplanes einleiten, um das Mahnmal an der Ecke Keupstraße/Schanzenstraße so bald wie möglich zu realisieren.
  • Die Verwaltung soll einen angebotsbezogenen Bebauungsplan aufstellen, der die Keupstraße/Ecke Schanzenstraße als Standort für das Mahnmal festschreibt.
  • Im Falle eines Verkaufs des Grundstücks durch die Eigentümergemeinschaft soll die Stadt ihr Vorkaufsrecht geltend ma­­chen und die für den Gedenkort notwendige Fläche erwerben.

Auch wenn der Prozess bis zur Fertigstellung des Mahnmals noch lange dauern wird, wäre ein solcher politischer Beschluss ein Zeichen, dass wir als Stadt das Mahnmal ernsthaft wollen.

Das Beitragsbild zeigt den Entwurf des Künstlers für einen interaktiven Gedenkort. Quelle: ©studio-Ulf-Aminde-2019

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